Schießübung

von Peter Hönig

Der See gibt die Fische und die Gespräche.

Achtzehn.

Passe.

Jetzt schon?

Hab nichts. Scheiß Blatt.

Kalle ist das. Eigentlich Karl-Heinz, aber Kalle, schon seit der Krippe.

Dreißig, der Bernd. Er ist der dritte.

Leo, er denkt sich sein Zeug zusammen, überprüft sein Blatt, den Pik-Buben hat er selbst und ein einziges Herz dazu. Also ohne zweien, au Backe! Und überhaupt, ohne zu reizen, gleich seine Grenze mir zeigen. So’n Schwachsinn.

Spiel man.

Die drei spielen ihren Skat, Nachmittags-Skat, was tun auch, wenn man arbeitslos ist und überhaupt, das schöne Wetter. Bier steht auf dem Tisch. Und der Tisch steht am kleinen See der Gemeinde. Alles ist gut, wenn nicht das Geld wäre. Ewiger Gesprächstoff, das Karussell, das sie alle fahren, jeden Tag, haste ‘n Euro, die Pizza, die sie sich teilen, die Chips oder das Bier. Und wenn sie Glück haben, ‘ne kleine Arbeit, Taschengeldaufbesserung, mehr ist das nicht.

Vor drei Monaten, da haben sie ‘ne Tanke. Na was schon? So schnell mal, die Maske übers Gesicht, das Stückchen Stoff, der eine vor der Kasse, der andere dahinter, dem Kerl das Messer an´Hals, nu mach schon. Die Kasse auf, was denkst du denn, aber dalli! Wir woll’n hier nicht labern oder Kaffee trinken. Der dritte an der Tür, Schmiere, schauen und warnen, den Überblick haben, das hat er gemacht, der Leo.

Überblick ist immer gut, sagt er sich. Und Leo redet viel. Er weiß eigentlich alles. Das zeigt er gern den anderen. Da ist schnell Schweigen angesagt.

Die können eh‘ nicht denken, so ein tolles Blatt, ´n Gran hätt‘ er spielen können, ich fass’ es nicht.

Und in der Kasse? Da war fast nichts drin. Ein Geldbote, vor ‘ner halben Stunde muss er da gewesen sein, hat alles hübsch mitgenommen und auf die Bank gebracht, oh Mann!

Hab’s mir auch nicht ausgedacht, ich nicht.

Aber lass man fünfe gerade sein, Bernd, das nächste Mal, da holen wir uns die dicke Marie. Er grinst siegessicher, er weiß das.

Die dicke Marie!

Und plötzlich hat Leo diese große Armbewegung. Den Wischer, die Karten vom Tisch, die Gläser dazu, dass es klirrt und schwappt. Die beiden anderen sind sprachlos, also hör mal.

Haste nicht alle? Das schöne Bier!

Aber, sagt er nur, der Leo.

Und dann liegt sie auf dem Tisch, der ist jetzt frei von allem Karten-Krams und Bierflaschen und Aschern und Chips, komplett frei, dafür den Boden eingesaut, aber oben, auf der Tischplatte liegt sie, eine Walther, eine echte Nullacht.

Manno!

Bernd ist sprachlos. Nur dieses Wort hat er rausgebracht.

Leo grinst.

Da schauste, was? Hab sie auf dem Dachboden gefunden, drüben beim Olli. Sein Alter, vom Krieg noch, hat sie da wohl versteckt. War wie ein Wink vom lieben Gott, den gibt‘s also manchmal auch. Hab’s gern angenommen. Da!

Er greift in die Hosentasche, holt die Faust heraus, geballt wie beim Jahrmarkt, wenn sie den Lukas hauen. Aber den haut heute keiner, auch er nicht und schon gar nicht hier, dafür öffnet er sie, seine große Faust, wie eine Freude. Über der Pistole macht er das und lässt es gelb und kalt herauspurzeln. Munition, mit schönem metallenem Geklirr und Geklapper! Munition und das und die ohne Ende. Er greift in die Hosentasche, hat noch mehr davon.

Die beiden anderen sind immer noch sprachlos. Die Münder weit auf. Hallo, der Leo.

Bernd hat zwar außer seinem Manno noch ein Uiii herausbekommen, so einen heftigen Sprachgesang, eine Art Hohelied auf alle Zauberei, denn normal ist das nicht. Und Kalle? Der schweigt und starrt auf das schwarze Stück Metall. Dann langt zögernd auf den Tisch, schiebt mit seinen dicken Fingern langsam die Munition beiseite und berührt vorsichtig die Pistole.

Schwarz ist sie und etwas ölig. Echt geil.

Na, nu fass mal an. Los, nimm sie doch richtig.

Leo ermuntert den Freund.

Keine Bange, die ballert nicht von alleine los, ist gesichert. Und nicht mal geladen. Ich bin doch nicht wahnsinnig. Du kennst mich doch.

Er fasst den Freund an der Schulter, als müsste er ihm dafür eine Stütze sein.

Da nimmt Kalle sie wirklich in die Hand, ganz vorsichtig, als könnte er sie mit seinen dicken Fingern zerquetschen, so wie wenn man Weißbrot anfasst, das gerade aus dem Ofen kommt.

Kalle macht also weiter.

Ehrfurcht, Schweigen. ’ne echte Nullacht.

Er hält sie in der Hand, hebt sie hoch, zielt auf die Lampe.

Ist absolut gesichert? Er fragt das noch mal. Der Leo, manchmal, da weiß man nicht bei dem.

Absolut. Und nicht geladen. Er nickt dazu.

Kalle zielt wieder, macht puuuu, ganz laut und sicher puuuu und drückt ab. Nichts ist.

Musst es richtig machen, sagt der Leo ihm. Entsichern.

Er zeigt es ihm, sichert dann wieder, nun du.

Kalle macht, genauso wie es der Leo ihm vorgemacht hat. Den kleinen Hebel herum. Dann zielt er wieder, langsam und sicher, denkt sich die Baumspitze dort drüben als Ziel und zieht den Abzug durch, dass es klick macht, wenn Metall auf Metall schlägt, der Bolzen, ein Geräusch, das wie ein Signal wirkt und echt begeistert. Man könnte frieren.

Hört nur, wie echte Musik!

Oh, was ein Ding!

Leo nimmt ihm die Waffe aus der Hand, grinst.

Unsere dicke Marie ist das, sagt er und kein Küchenmesser mehr, ‘ne echte Wumme! Von wegen noch reden. Die Hosen wird er vollhaben der Tankwart, beim nächsten Mal, wenn er die sieht und wir, wie’n Wind dann raus und weg! Und die Taschen voll mit dem schönen Geld!

Er schaut den Bernd dabei an, als würden sie gerade ´ne Bank stürmen, oder die Tankstelle schon wieder. Unsere dicke Marie. Er wiegt die Waffe schwer in der Hand und lächelt.

Heute abend, um sechs im Steinbruch, da ballern wir.

Er grinst noch immer.

Dann steckt er die Pistole wieder in den öligen Leinenbeutel, in dem sie gewesen war und sammelt die Munition ein.

Kartenspielen ist jetzt nicht mehr. Mann, schießen, richtig, mit scharfer Munition. Kalle hält die Luft an. Sechse, denkt er, das wird ein Spaß! Er hat schon ganz heiße Backen. Nur Bernd, dem ist das ein wenig viel, aber mitmachen will er schon. Sind doch Freunde.

Dann treffen sie sich. Ein jeder mit anderer Erwartung. Kalle, der ist nur scharf aufs Echte. Ballern will er, mit ´ner richtigen Knarre. Was für Männer ist das. Der Rückstoß, soll ´nem Schwächling glatt den Arm auskugeln, hat er gehört. Aber er nicht, nicht bei ihm. Macht deshalb gleichmal fünfzehn Liegestütze, für alle Fälle. Bernd ist vorsichtiger, wie beim Kartenspielen. Er wartetab, sagt alles, macht alles und wenn es nichts zu tun gibt, als zu kommen und zu warten, wie heute, da macht er auch das. Und Leo? Der beobachtet sie, weiß, dass die beiden nicht von der besonderen Klasse sind, von wegen starke Gespräche führen. Das macht er lieber selber und gleich für sie mit. Über was können die schon quatschen?

Nee mein Lieber, das Sprechen, das machen die Fische am besten, sagt Leo gern, denn, wer hat schon Fische sprechen hören?

Da lässt sich also Vieles drüber sagen.

Recht hast du immer. Handeln musste aber auch, sagt er, tun, was andere nicht machen, weil sie nur quatschen, so sagt er. Überlegen ist schon, und reden auch. Aber das allein reicht nicht. Davon wird keine Kasse voll, das bezahlt kein Bier. Also überlegen und tun, was du dir zurechtgelegt hast. Gehört einfach zusammen. Und wenn man das noch verteilen kann, denken und handeln, schön aufteilen, dann geht’s noch schneller und besser.

Das leuchtet Kalle und Bernd auch ein, wenn jeder seinen Teil macht. Weil der Leo doch so gut denken kann. Ist doch Vertrauenssache, oder nicht?

Alles klar, sagen sie und machen und denken an die dicke Marie. Geld bis zum Abwinken. Und jetzt mit ´ner richtigen Knarre, Mann!

Kalle kommt mit dem Rad, er wohnt auch nicht weit weg. Auch Bernd kommt mit dem Rad.

Sprit sparen, sagt er und Leo, der kommt erst mal gar nicht. Die beiden sind im Steinbruch, sind dort schon lange vor der Zeit, weil das ja so irre ist und warten sehnsüchtig auf die sechse hin. Aber Leo ist auch um halbsieben noch nicht da.

Ob er Muffe hat?

Bernd schielt zu Kalle.

Nee, mein Lieber, Leo und Muffe? Da muss was passiert sein. Leo hat keine Muffe. Denk doch nur, was der alles im Kopf haben muss, bis das durchdacht ist. Da ist was passiert, sag ich dir. Hat er die Knarre oder nicht? Hat er, na siehste. Also schön warten.

Sie sitzen weiter auf dem großen Stein und schauen auf die Zeiger ihrer Uhren und die Fliegen und die Käfer, die im Moment ihre Schuhe erobern.

Dann, als Bernd gerade sagen will, dass es ihm jetzt reicht und er gehen will, hören sie das Auto.

Endlich. Wird auch Zeit.

Mal sehen, was er sagt.

Aber als Leo dann wirklich kommt, sagt er nichts, knurrt nur irgendetwas, lässt den Bernd nicht zu Wort kommen, winkt den beiden zu, sich zu beeilen.

Da hinten, sagt er nur und zeigt mit ausgestrecktem Arm auf eine Ecke des Steinbruchs, in dem die Felsen steil nach oben ragen.

Endlich.

Die beiden haben das Warten schon wieder vergessen, die Verspätung, die sich der Leo erlaubt hat. Er aber nicht. Hat sie gut einkalkuliert. Er grinst.

Die fressen mir noch aus der Hand.

Dann wird es ernst.

Sie hocken am Boden, die Waffe in ihrer Mitte, die Munition dazu, alles ausgebreitet auf dem Tuch, in dem es eingewickelt war.

Leo nimmt die Pistole hoch, erklärt, nimmt das Magazin heraus, lädt es, demonstriert alles, entlädt und macht alles gleich noch einmal, redet und erklärt, alles mit wichtiger Stimme.

Dann drückt er die Patronen wieder aus ihrer Halterung, bis das Magazin leer ist.

Du bist dran.

So üben sie, laden und entladen und auch Zielen und Abdrücken, das noch ohne Munition. Das Klick des aufschlagenden Bolzens ist der Anfang für den Nächsten.

Nun mach schon, du bist dran.

Wieder sitzen sie am Boden, merken, wie sich der Knoten schnürt und spannt, wie sie dem Zielpunkt immer näherkommen, ihrem ersten Schuss.

Jetzt.

Leo sagt es, steht auf und geht zum Auto zurück. Einen Blecheimer holt er. Den stellt er auf einen großen Stein, direkt vor der Felswand. Dann geht er vom Eimer auf sie zu, geht an ihnen vorbei und zählt.

Zehn, sagt er und bleibt stehen. Zehn große Schritte hat er gemacht der Leo, das wird schon richtig sein, denkt der Kalle und Bernd denkt gar nicht, er fügt sich nur.

Leo winkt die beiden zu sich heran.

Von hier, sagt er, dann nimmt er die Waffe, füllt das Magazin, schiebt es in den Magazinkanal und entsichert. Er steht da, wie vielleicht einmal Ollis Vater, der ja bei der Waffen SS. Breitbeinig steht er und sicher. So hebt er die Waffe und dann lässt er sie langsam sinken, hält die Luft dabei an und zielt über Kimme und Korn. Drückt ab.

Der Rückschlag reißt ihm den Arm leicht hoch, der Knall ist trocken und laut, für die drei dort wirkt er wie ein Donner. Mann!

Der Eimer taumelt, dreht sich und fällt! Getroffen!

Kalle ist begeistert und schreit wie blöd.

He, das Ding ist drin!

Er rennt zum Eimer und bringt ihn im Laufschritt her. Noch im Laufen untersucht er ihn, findet die Delle an der Seite.

Streifschuss, sagt er, schreit er. Irre!

Jetzt bist du dran.

Leo hat es gesagt, schaut ihn an dabei, sichert die Pistole und gibt sie Kalle. Schaut sich auch den Eimer noch mal an. Ist weniger zufrieden, na ja, getroffen immerhin. Zehn Meter, so ein kleiner Eimer, schlecht ist das nicht. Getroffen ist getroffen.

Haste alles gesehen?

Leo fragt ihn.

Klaro, von oben, langsam runter, Kimme und Korn, null die Luft und dann los, peng! Kalle grinst.

Na, dann mach man.

Kalle nimmt jetzt die Pistole schon sicher in die Hand, war gut, dass sie vorhin diese Übung gemacht haben, die beiden anderen beobachten ihn.

Dann steht er da, hat alles dem Leo abgeschaut, breitbeinig, entsichert die Waffe, Luft holt er, tief Luft und hebt dabei den rechten Arm, gestützt und umklammert vom linken, lässt ihn sinken, langsam, wie nasses Holz, das nicht schwimmen will und nicht kann und deshalb untergeht, genauso bedächtig, zielt er und lässt die Luft dabei laut heraus.

Pfffft macht er und drückt ab. Der Rückschlag schlägt auch ihm den Arm etwas hoch, noch weniger als beim Leo. Der Eimer taumelt nicht, er ist weg! Kalle brüllt, drückt Leo die Pistole in die Hand und rennt zur Felswand. Der Eimer liegt etwas von seinem Stein entfernt direkt vor den Felsen und ist eingedrückt. Und dort, wo er ein wenig flach ist, hat er ein kleines rundes Loch. Links unten, kurz vorm Rand. Vorn und hinten.

Atemlos und glücklich kommt er bei den beiden an.

Getroffen schreit er, schon von weitem, getroffen!

Und reißt dabei den Eimer hoch, um seinen Sieg nochmals zu verkünden und zu bestätigen. Immerhin war sein Schuss besser als Leos. Die beiden empfangen ihn gebührend, klopfen ihm auf die Schulter.

Mann, was ein Schuss! Durch den Eimer durch! Echt gut.

Bernd ist dran. Macht alles nach, äugt nach links, schielt nach rechts, alles richtig? Schaut zum Eimer und drückt ab. Der Rückstoß reißt ihm die Waffe fast aus der Hand, der Knall ist noch zu hören, die beiden sehen Bernd an, besonders Kalle, da fällt er um. Knickt wie ein Streichholz ein und liegt flach.

Die beiden stehen wie erstarrt.

He, was’n los, Kalle! Mensch, sag doch was!

Sie sagen es, sie flehen es, schreien. Liegen mit ihren Augen, ihren Köpfen über ihm. Die Angst macht sie laut, Mensch Kalle!

Aber Kalle sagt nichts, stöhnt nicht mal, liegt am Boden, so merkwürdig verdreht, zumindest das Bein und die Augen. Und er sagt immer noch nichts. Bernd kniet schon neben ihm, rüttelt und schüttelt ihn, da sieht er das Blut. Ach du Scheiße, das Bein!

In dem Moment kommt Kalle wieder zu sich, schreit und schreit.

Wo ist Leo?

Ja, wo ist Leo. Der hatte gesehen und erkannt und gehandelt.

So schnell war er selten wie fast nie im Leben gewesen.

Was für ein Esel ist er doch! Stellt die beiden immer als blöd hin und nun das. Er, er hat es vermasselt, er war und ist der Blöde.

Ein Querschläger, von der Steinwand abgeprallt und nicht irgendwohin, nein, der suchte sich sein Ziel. Kalles Bein. So schlimm das ist, was wäre wenn? Dieses purzelnde, sich überschlagene Stück Metall, und das in den Bauch von einem von uns, da ist Feierabend, meine Herren, absolut nichts mehr zu machen. Und er selbst hatte es doch vorgeschlagen.

Steinbruch, hatte er gesagt, und da hinten, auch das, direkt vor der Wand, schön nah dran. Wo die Dinger nur so rumschwirren. Mein Gott, was ein Irrsinn! Wo er doch immer alles weiß und so sicher ist. Was’n Scheiß!

Von wegen dicke Marie, von wegen die Taschen voll Geld. Ein Hornochse ist er, aber ein dreimaldurchgeknallter. Was kann er dem Krankenhaus nur sagen. Schießübungen? Da steht die Polizei gleich bei Fuß. Kein Waffenschein, fahrlässige Körperverletzung, unberechtigter Besitz von, ja überhaupt, woher denn die Knarre ist, und die Kosten dann!

Sehr geehrter Herr Kippun, weil er doch so heißt, die Kosten übernimmt keine Krankenkasse, weil es sich um eine Straftat doch handelt und weil Körperverletzung, da ermittelt schon die Staatsanwaltschaft. Die Kosten, die werden Ihnen in Rechnung gestellt. Ach du grüne Scheiße.

So oder ähnlich denkt er, der Leo und rennt. Zum Auto rennt er, den Erste-Hilfe-Kasten will er holen und während er rennt, bittet er den lieben Gott und das ist nicht oft in seinem Leben, wo er doch Atheist ist, aber er bittet ihn wirklich, glatter Durchschuss, bittet er noch, weil der schnell verheilt und wenig Schaden anrichtet, und nicht so viel erzählt, wie wenn sie die Kugel da rausholen müssen. Das bisschen Fleisch, na ja. Wenn nur das Knie, bitte das Knie nicht, lieber Gott, aber da ist er schon zurück. Er kniet sich hin und öffnet den Kasten, mit schnellen, geschickten Händen, als würde er eine Waffe zerlegen, öffnet das Kästchen und holt die Schere heraus, die große, abgewinkelte Stoffschere. Dieses heftige Ding nimmt er zur Hand und dann schneidet er sich durch das Hosenbein vom Kalle. Aber wendet sich ihm gleichzeitig zu.

Mann Kalle, ist gar nicht so schlimm, verspricht er, obwohl er noch gar nicht weiß.

Und dann lächelt er sogar. Aber der Kalle weiß ja gar nicht, warum das der Leo macht, mit diesem schönen Lächeln, denn dass es die beiden nur beruhigen soll, obwohl er selbst ganz verunsichert ist, das wissen die gar nicht, die kriegen nur das Gefühl, so schlimm ist doch alles nicht, kann nicht sein. Nein wirklich, so schlimm nicht.

Und während er lächelt und während er mit dem Kalle was quatscht, ihm diesen blöden Witz mit der Heuschrecke erzählt und dann sogar der Bernd lacht, währenddessen hat er die ose von dem kaputten Bein aufgeschnitten. Da hat er es gleich gesehen. Das Knie ist es nicht! Es gibt noch eine Gerechtigkeit, der liebe Gott, ach Quatsch, der. Jedenfalls glatt durch, nichts Ernstes, vorn rein und an der Seite raus, etwas Blutverlust, die große Arterie, die dort ist, auch unverletzt, was ein Bammel. So’n Glück. Kalle, so’n Glück!

Da redet er sich frei und glücklich, wo er schon sich hinter Gittern gesehen hat, den ganzen kleinen Weg bis zum Auto, er im Knast. Redet, als würde das Bein ein wenig davon heilen. Und verbindet ihn. Druckverband, dass die rote Brühe nicht noch mehr raus will.

Den Kalle bringen sie so zum Auto, mit dem gesunden Bein kann er ja auftreten. Der stöhnt nur, aber es geht schon.

Dann muss der Bernd die Räder heimbringen und die Klappe halten.

Kein Wort, nirgends und zu niemandem, hat ihm der Leo gesagt und zum Kalle sagt er nur, Mann, was musste auch klettern, immer die Berge rauf, sogar die Felsen und dann mit Sandalen, auch hier im Steinbruch. Bist einfach’n Ochse. Da musste es doch passieren. Abgerutscht biste, hörst du, abgerutscht und runtergeknallt. Ich hab dich gefunden, was ein Glück für dich, ja dort bei dem Stein und das Holz, so’n Ast, ist glatt durch. Rein ins Fleisch und raus an der anderen Seite. Zeugen? Kenn ich nicht.

Haste gehört, Kalle? Alles Klar?

Er holt tief Luft und schaut dem bleichen Kalle fest ins Gesicht.

Kalle sagt nichts. Nickt nur. Na klar, wie blöd auch von ihm, klettern und hier und nur mit Sandalen. Was ihm da bloß eingefallen ist.

Ach du lieber Augustin singt der Bernd, das schöne Geld, die dicke Marie, die ist erst mal weit weg. Aber der Leo denkt nur, der Knast auch.

Dann doch lieber die Karten und nur der See. Und die dicke Marie? Na ja, es geht auch ohne. Hauptsache der Kalle, dass der wieder laufen kann.

Und die Knarre?

An die will er gar nicht erst denken. So’n Scheiß. Sicher nicht noch’n mal. Und das mit dem vielen Gequatsche ist auch vorbei.

Maul halten. Lass die andern auch reden.