Akteure und Inhalt der nachfolgenden Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen oder Begebenheiten sind rein zufälliger Natur.
Herr Johannes Holzscheit, dessen erster Bediensteter ich mich seit nahezu zwei Jahren nennen durfte, rühmte sich dafür, ein herausragender Gastgeber zu sein. In der Tat erregten seine privaten Diners und Banketts nicht nur die Begeisterung seines erlesenen Publikums, sondern durchaus auch das Wohlgefallen meines professionell geschulten Auges. Er legte Wert darauf, nicht nur kleine Gesellschaften, sondern auch einzelne Gäste zuvorkommend zu bewirten, und um gerade im informellen Teil des Abends eine weitläufige Menge verschiedener Geschmäcker bedienen zu können, verfügte er für einen Privatmann über ein beeindruckendes Spirituosenkabinett. „Lieber Hubert, hast du Lust, etwas Neues zu probieren? Es wird dir gefallen!“, sagte Herr Holzscheit, und präsentierte mit einer ausladenden Handbewegung die mannshohe Eichenvitrine, hinter deren Glastüren er seine wohl kurierte Sammlung verwahrte. „Herrmann, bring uns den Ararat.“ Ich entnahm dem obersten Regal eine bauchige Flasche goldbrauner Flüssigkeit, füllte zwei Gläser mit exakt vier Zentilitern des nach Pfirsich und Vanille duftenden Branntweins, und servierte sie den beiden Männern, die sich am Tisch des Rauchzimmers gegenübersaßen. Geschwind nahm ich meinen Platz neben der walnussvertäfelten Flügeltür wieder ein. Von hier, aus dem Schatten eines Bücherregals, in dem ich dezent und unauffällig verweilte, konnte ich Herrn Holzscheit jederzeit bei Bedarf zur Verfügung stehen, ohne dass die Intimität des Treffens unter meiner Anwesenheit leiden würde.
Aufmerksam beobachtete ich meinen Arbeitgeber. Dieser hatte das Cognac-Glas aufgenommen, schwenkte es gegen das Licht, und betrachtete weltmännisch das Muster des Schlierenzugs, der sich an der durchsichtigen Wand der Tulpe bildete. „Hubert, den hier wirst du mögen. Das ist ein Brandy, Ararat heißt er, kommt aus Armenien. Die Flasche ist zwanzig Jahre alt. Es heißt, dass Josef Stalin zur Konferenz von Jalta eine Flasche Ararat mitgebracht hat, und dass der alte Säufer Churchill von dem Geschmack so beeindruckt war, dass bis zu seinem Tod auf die persönliche Anweisung des Obersten Sowjets jährlich 400 Flaschen von dem Zeug in die Downing Street geschickt wurden, Eiserner Vorhang hin oder her. Probier mal!“ Der Gast roch prüfend an seinem Glas, nahm einen vorsichtigen Schluck und verzog sein Gesicht. „Ach Johannes, du weißt, für mich geht nichts über ein gutes Weizen“, antwortete er mit langsamer, tiefer Bassstimme in breiter bayrischer Mundart. Herr Hubert Meerhufer war kein seltener Gast des Hauses, und nach einem Diner mit vier bekömmlichen Gängen hatten sich die Herren zum Kartenspiel in das Rauchzimmer zurückgezogen. Die Weinbegleitung und das Digestif hatten dem Abend bereits den ohnehin nur schwachen Schein der Förmlichkeit genommen, sodass sie sich breitbeinig und mit gelockerten Krawatten in die lederbezogenen Designer-Stühle fläzten. Aus Rücksicht auf den geruchsempfindlichen Gast verzichtete Herr Holzscheit auf seine sonst übliche südamerikanische Zigarre.
Anders, als ich es von meinen vorherigen Arbeitgebern gewohnt war, spielte man im Hause Holzscheit selten Roulette, Poker, Skat oder gar Schach, um den informellen Teil einer Zusammenkunft zu begehen. Herr Holzscheit hatte eine andere Leidenschaft, die in ihrer Kindlichkeit nur schwer zu dem sonst so seriösen Mann passte, dem man mit den breiten Schultern, dem brünetten Kurzhaarschnitt und der Hornbrille sowohl seinen einstmaligen Beruf als Bankangestellter wie auch den des gewählten Volksvertreters problemlos abnahm: Herr Holzscheit liebte das Trumpf-Quartett. Keine Thematik war ihm zu obskur, und weil man seinem in Rhetorikseminaren geschliffenen Charme nur schwerlich etwas abschlagen konnte, war ihm schon so mancher hohe Herr im Spiel unterlegen, da sein Landtier eine geringere Höchstgeschwindigkeit oder sein Wolkenkratzer ein älteres Baujahr als das Exemplar aufwies, welches Herr Holzscheit ins Feld führte. Herr Holzscheit gewann oft, aber nicht so oft, dass es seinem Gegenüber die Freude am Spiel verdarb, denn da erwartungsgemäß kein Gast zu einem Abend in der Zehlendorfer Villa eines der mächtigsten Männer dieses Landes ein Quartettspiel mit sich führte, spielte man mit den Karten des Hauses. Und diese kannte Herr Holzscheit selbstverständlich auswendig. Ich glaube, dass dieser Kniff, mit dem er die Spiele des Abends mehrheitlich gewann, auch erklärte, warum er in der Politik so erfolgreich war: Die Kreativität der Winkelzüge, mit denen er sich Vorteile verschaffte, spielte in ihrer eigenen Liga.
Doch am heutigen Abend hatte Herr Holzscheit einen Gegner geladen, der selbst ein erfahrener Veteran der Taktiererei und nicht minder ehrgeizig als sein Gastgeber war. Und so hatte Herr Meerhufer, hinter dessen behäbig-bayrischer Physiognomie und der Vorliebe für Hefeweizen sich ein ausgemachtes und leicht nachtragendes Schlitzohr verbarg, mit schelmischem Grinsen in die Tasche seines Jacketts gegriffen und ein transparentes Plastikdöschen mit Spielkarten auf den braunen Nussbaumtisch gelegt, als Herr Holzscheit wie gewohnt fragte, ob man nicht „zur Abwechslung“ eine Runde Quartett spielen wolle. „Das trifft sich ja gut, dass du das fragst, ich hab grad eins für die Enkelin bestellt gehabt, aber es sind zwei geliefert worden. Wollen wir das hier spielen?“ Herr Holzscheit, dessen Fähigkeit, eine gute Miene zum bösen Spiel zu machen, mich immer wieder beeindruckte, ließ sich von der gutmütigen Nonchalance, in der der Bayer ihm durch die Blume sagte, seine Taktik sei restlos durchschaut, keinen Augenblick aus dem Gleichgewicht bringen. Er sagte, dass dies ja eine willkommene Überraschung sei und er sich freue, aber seine leicht angespannten Kiefermuskeln beim Blick auf das Kartenspiel verrieten mir, dass er es nicht kannte. Er würde ohne den Vorteil des Hauses spielen müssen. „Johannes, das Thema wird dir gefallen. Als ich das gesehen hab, hab ich mich gewundert, wer denn auf solche Ideen kommt, aus so einem Schmarrn ein Quartett zu machen. Aber dann dacht ich, ist schon recht, so kann man den jungen Leuten die Politik vielleicht auch nahebringen, und zu uns passts ja wirklich hervorragend. Also, spielen wir! Ich teil aus.“
Herr Meerhufer mischte das Deck und begann zu geben. Das Quartett-Thema war in der Tat etwas ungewöhnlich, aber lag im Vergleich zu so mancher Kuriosität der Holzscheit’schen Quartettsammlung in Sachen Sonderbarkeit eher im Mittelfeld. Die Zahlen und Fakten, mit denen sich die Spieler am heutigen Abend messen würden, bezogen sich ausgerechnet auf deutsche Gesetze. Herr Holzscheit fischte das Plastikdöschen vom Tisch und las die Regeln des Spiels von der Rückseite vor. Auf jeder Karte waren vier Kategorien abgedruckt: Zuerst der Rechtsbereich, in dem das Verfassungsrecht in absteigender Reinfolge das Strafrecht, Öffentliche Recht und Zivilrecht stach; dann folgten das Datum des ersten Inkrafttretens (alt schlug jung), die Anzahl der Paragraphen und Absätze (hoch schlug niedrig), und schließlich das Datum des Inkrafttretens der letzten Gesetzesänderung (jung schlug alt). Die Sonderregel, die den Vergleich in den Kategorien immer übertrumpfte, verlieh dem Spieler den Stich, dessen Gesetz das des Anderen direkt einschränkte oder gar aushebelte. Ich konnte mir als in den letzten Jahren unfreiwillig gereifter Quartett-Connaisseur ein leises anerkennendes Pfeifen nicht verkneifen: Der Spielmacher deckte mit seinen Kategorien die gesamte Bandbreite von leicht verständlich für milde Interessierte bis überkomplex für Fachidioten ab, und mit der Sonderregel verlieh er dem Spiel gewieft eine zweite Ebene. So fand ich es durchaus schade, dass aufgrund seiner unglücklichen Themenauswahl kein breiteres Publikum in den Genuss seiner spielerstellerischen Versiertheit kommen würde. Letzte Zweifel daran, ob Herr Meerhufer das Spiel tatsächlich für seine Enkelin gekauft hatte, waren jedenfalls restlos ausgeräumt.
Die Kontrahenten beäugten sich gegenseitig über ihre Kartenstapel, deren Rückseiten über und über mit schwarzen Paragraphenzeichen bedruckt waren. Herr Meerhufer, der als Geber auch die erste Trumpfkategorie benennen durfte, brütete kurz über seiner Auswahl, und sagte dann entschlossen: „Ich spiele Rechtsbereich: Strafrecht! Was hast du?“ Herr Holzscheit schob seufzend seine Karte über den Tisch und sagte: „Einen langweiligen Schuldrechtsparagraphen aus dem BGB. Der geht an dich.“ Herr Meerhufer verstaute den Stich auf der Rückseite seines Stapels, sein Arsenal neben der Üblen Nachrede nun auch um die Leistung nach Treu und Glauben reicher wissend. Seine nächste Karte betrachtete er nur kurz, bevor er ausrief: „Ha, hier ists klar. Ich spiele das Datum des ersten Inkrafttretens: April 1920!“ Siegessicher klopfte er mit dem Einkommenssteuergesetz auf den Tisch und streckte seine Hand aus, um seine erbeutete Karte wie eine Kollekte von Herrn Holzscheit zu empfangen. Dieser roch betont entspannt an seinem Glas Ararat und sagte schließlich, nachdem er sich genüsslich einen Schluck des Branntweins genehmigt hatte: „Aller Achtung, da hast du ein ganz schön altes Stück Legislaturgeschichte ausgegraben. Ich wäre an deiner Stelle sicher auch guter Dinge, aber muss dich leider enttäuschen. Liebe Grüße aus dem Kaiserreich!“ Mit diesen Worten reichte er seine Karte an Herrn Meerhufer. Der hielt sie sich dicht vor die Augen, inspizierte sie und sagte anerkennend: „Donnerwetter, da hast du aber Schwein gehabt. Das Unfallversicherungsgesetz von Bismarck! Ich bin bis heute überzeugt, dass der im Herzen ein Bayer gewesen sein muss.“ Herr Holzscheit ignorierte diese im Dienst eines überbordenden Lokalpatriotismus stehende Geschichtsklitterung geflissentlich und kassierte seinen gewonnenen Stich. Beim Blick auf seine nächste Karte kratzte er sich zunächst lange am Kopf, dann sagte er stirnrunzelnd: „Also diese hier ist echt ein Rohrkrepierer. Ich versuche es mal hiermit und spiele das Inkrafttreten der letzten Änderung: 01. Januar 2019.“ Herr Meerhufer reichte ihm kopfschüttelnd seine Karte hinüber: „Der meckert hier über den Rohrkrepierer und beleidigt damit seine eigene Arbeit – Januar 2019! Dann haben wir das doch vor kurzem erst geändert. Welches ist es denn?“ „Ach, eine der Nachbesserungen an der Mietpreisbremse, in die uns der Bundesgerichtshof mit seinen Entscheidungen ständig reinredet“, antwortete Herr Holzscheit. Herr Meerhufer entgegnete aufgebracht, als ob man ihn persönlich beleidigt hätte: „Und mit so einem Schmarrn klaust du mir den schönen Vertragsfreiheitsparagraphen aus dem BGB. Als wir den zuletzt angefasst haben, da war ich noch Abgeordneter! Diese depperte Mietpreisbremse…es ist wirklich a Kreuz, im Bund mit den Sozen zu regieren.“ Zustimmend erhob Herr Holzscheit sein Glas und sagte: „Darauf trinken wir. Prost!“ Hell klirrten die Cognac-Gläser beim Anstoßen, und Herr Meerhufer verzog sein Gesicht schon nicht mehr so stark wie nach seinem ersten Schluck. „Siehst du, Hubert, ich wusste doch, dass der Ararat auch dir eingefleischtem Maßtrinker gefallen wird! So, weiter geht’s. Ich hab hier als nächstes was aus dem Strafrecht. Was hast du?“
Die noch leicht säuerliche Miene des Bayern erhellte sich, als er auf seine nächste Karte blickte. „Deinen Strafrechtsparagraphen kannst du mir schön rübergeben. Auf meiner Karte steht nämlich der allerschönste Satz eines jeden deutschen Gesetzbuchs!“ „Das Diätengesetz ist aber Öffentliches Recht“, antwortete Herr Holzscheit mehr scherzhaft als ernst. Herr Merrhufer polterte los: „Natürlich hab ich nicht das Diätengesetz, du Hundsfott, elendiger. Ihr jungen Leute habt immer nur das Geld im Kopf. Was kann schnöder Mammon schon ausrichten gegen –“. „Die Würde des Menschen ist unantastbar! Ich weiß doch. War nur ein Scherz. Kein Grund, das Vertrauen in meine Generation zu verlieren, alter Knabe“, fiel ihm Herr Holzscheit ins Wort, und reichte seine Karten mit dem Schwangerschaftsabbruchsparagraphen über den Tisch. „Alter Knabe, alter Knabe“, grummelte Herr Meerhufer, während er seine nächste Karte beäugte. „Der alte Knabe bittet dich jetzt erstmal zur Kasse. Fortuna belohnt meinen langjährigen Dienst am Volk direkt mit dem nächsten Grundgesetzartikel. Ich hab ja einen richtigen Lauf! Ich spiele Rechtskategorie – Verfassungsrecht. Erst die Menschenwürde, jetzt die Versammlungsfreiheit, so lob ich mir das!“ Herr Holzscheit, der schon im Begriff war, dem Gegner auch seine nächste Karte zu reichen, hielt inne. „Wie bitte? Welche Karte hast du?“, fragte er. „Grundgesetz, Versammlungsfreiheit, sag ich doch!“, antwortete Herr Meerhufer und las vor: „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 8. Absatz 1: Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ „Kenne ich“, entgegnete Herr Holzscheit, „lies gern weiter!“ „Absatz 2: Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt…“, las Herr Meerhufer und stockte, denn plötzlich dämmerte es ihm.
Herr Holzscheit blickte noch einmal auf seine Karte und sagte dann süffisant: „Grundrecht hin oder her, deine Versammlungsfreiheit kann also durch bestimmte Gesetze eingeschränkt werden. Und wenn ich mich recht erinnere, dann hat unser Spiel just für solche Fälle eine Sonderregel – der Spieler gewinnt, dessen Gesetz das des Anderen beschränken oder sogar ganz entkräften kann, Bewertungen in den Kategorien hin oder her. Und dreimal darfst du raten, welches unscheinbare Gesetz ich gerade in der Hand halte!“ Mit einem Siegerlächeln lehnte er sich in seinen Stuhl zurück. „Ich muss sagen, dieses Quartett ist wirklich gut gemacht! Und du sagtest, es ist für deine Enkelin?“ „Himmel, Arsch und Zwirn, macht der hier Kapriolen! Ja sag mir doch, was du hast, woher soll ich das denn wissen!?“, rief Herr Meerhufer aufgebracht und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Eine Spezialität meines Hauses, lieber Hubert. Das Infektionsschutzgesetz! Du weißt natürlich, dass ich als überzeugter Demokrat und Kraft meines Amtseids ein glühender Verteidiger unserer Grundrechte bin, die Versammlungsfreiheit eingeschlossen. Aber sollte – Gott bewahre! – der Rattenfloh uns wie im Mittelalter wieder mit seiner Seuche überziehen, oder nochmal auf irgendeiner Farm im amerikanischen mittleren Westen ein Grippevirus mutieren, und die Bürgerinnen und Bürger drängen trotz unseres Flehens und Bittens weiter zueinander, veranstalten Firmenjubiläen, Hochzeiten, Volksfeste, Märkte, Geburtstagsfeiern, Konzerte und Demonstrationen, auf denen sie sich anfassen, anhusten, anniesen, anspucken, wenn nicht sogar küssen – kurz gesagt, auf denen sie die Plage verbreiten: Dann waren wir umsichtig genug, uns einen Hebel gegen ihre Unvernunft zu schaffen, und können deine liebe Versammlungsfreiheit einschränken, wenn der Schutz der Gesundheit dies alternativlos macht. So leid es mir auch tut. Deshalb – rüber mit der Karte!“
Herr Meerhufer grummelte verdrießlich: „Das ist ja eine Sauerei, wie du mit dieser vermaledeiten Sonderregel und deiner kleinen Rede hier einfach mein Grundrecht kassierst!“ Er wollte seinem Unmut noch weiter Luft machen, doch unterbrachen ihn die jäh einsetzenden ersten Takte von Beethovens „Ode an die Freude“. Herr Holzscheit sah ihn entschuldigend an, griff in die Innentasche seine Jacketts und sagte: „Hubert, entschuldige, aber das ist mein Ministeriumshandy, da muss ich drangehen – Ja, hier Holzscheit?“. Er hörte zu, sagte mehrmals ja und nein ins Telefon, und schloss mit einem „Gut gemacht. Wir warten bis morgen.“ „Ein Ministeriumshandy? Na, sowas hab ich nicht. Im Alter versteht man, dass man doch entbehrlicher ist, als man immer glauben wollte. Was war denn?“, fragte Herr Meerhufer, dessen Gemüt sich in der kurzen Unterbrechung wieder beruhigt hatte. „Nichts dringendes“, sagte Herr Holzscheit. „Das war dein Parteifreundin, die Frau Hummel, direkt aus München. In den letzten Wochen beschäftigt doch vor allem die Chinesen dieses neuartige Virus, und mich fragt die Presse auch immer wieder, ob uns ins Deutschland jetzt Schlimmes bevorstünde. Ich antworte natürlich, wir seien auf alle Eventualitäten bestens vorbereitet und es gebe keinen Grund zur Sorge, aber du weißt ja, wie die Journalisten sind. Jetzt stellt sich heraus, dass irgendein Depp es geschafft hat, das Virus an den Starnberger See zu tragen. Wir wissen es erst seit gerade, aber deine Parteifreundin hat mir versichert, die Situation sei unter Kontrolle, und die entsprechenden Maßnahmen würden mit Hochdruck eingeleitet werden.“
Herr Meerhufer hatte aufmerksam gelauscht und schwieg. Nur für einen kurzen Augenblick entglitt Herrn Holzscheit seine sonst unter so eiserner Kontrolle gehaltene Mimik, und ein nervöses Lächeln spielte um seine Lippen. „Hubert, das vor der Presse war kein leeres Gerede. Ich glaube wirklich, dass dieses Virus keine große Sache werden wird. Komm, spielen wir weiter!“, sagte er, und wendete sich, nun wieder ganz Herr seiner selbst, betont lässig dem Studium seiner nächsten Karte zu. Ich staunte nicht schlecht und war mir sicher, dass er – wenn er nur wollte – ein exzellenter Poker-Spieler wäre. Die Kunst des Bluffens beherrschte er zumindest meisterhaft.